Ich sah… Game of Thrones S6 E6

Ich hatte überlegt, eine Woche Pause zu machen und die Episoden 6 und 7 am Stück zu sehen, aber der Drang war zu stark. Nach dem emotionalen Halbzeitsfinale in der letzten Folge kam die relative Ruhe in dieser sechsten Folge von Game of Thrones gerade recht. In der Tat, es stirbt niemand (!) in diesen 51 Minuten. Was denn dann passiert, dass erfährt der geneigte Leser nach einem Klick auf (mehr). Wie immer sei gewarnt vor Spoilern und überwältigend langen Texten.

Beginnen wir dort, wo wir letztes Mal aufgehört haben: mit BRANDON STARK und MEERA REED ganz weit im Norden, jenseits des Walls. Meera zieht Bran auf diesem viel zu großen und viel zu schweren Schlitten (der ja eigentlich für Hodor zum Ziehen gedacht war, Schnüff) und ist sichtlich am Ende ihrer Kräfte, als sie in dem dunklen Wald zusammenbricht. Bran befindet sich immer noch im anscheinend unkontrollierten Visionen-Zustand und wird Zeuge von Geschehnissen der Vergangenheit, von denen einige auch wir nun zum ersten Mal zu sehen bekommen: König Aerys II Targaryen, der „Irre König“, wie er auf dem eisernen Thron sitzt und befiehlt, alles zu verbrennen; wie Jame ihn tötet und anschließend selbst auf dem Thron Platz nimmt; der Schatten eines Drachen, der über King’s Landing hinweg fliegt; die königlichen Alchemisten, die Massen an Wildfeuer herstellen; und eine gewaltige, grüne Explosion eben jenes Wildfeuers. Dazu noch diverse Szenen, die wir schon kannten, wie Robbs und Catelyns Ermordung oder Jon Snows Kampf in Hartheim. Die Untoten verfolgen Bran und Meera noch immer, doch als ein kleiner Stoßtrupp die beiden erreicht, taucht ein Reiter mit schwarzem Ross auf, der die wenigen Untoten mit brennendem Flegel und einer Sichelkette ausschaltet. Er fordert Bran und Meera auf, mit ihm zu kommen. Zu dritt auf einem Pferd entkommen sie der nachrückenden Meute.

Später machen sie Rast und der schwarze Reiter bereitet an einem kleinen Feuer ein mickriges Kaninchen zu. Auf Meeras Frage, warum er ihnen geholfen habe, antwortet er, dass der dreiäugige Rabe ihn geschickt habe. Als er Bran das letzte mal gesehen habe, war er noch ein kleiner Junge gewesen. Spätestens da sollte jedem klar gewesen sein, um wen es sich hier handelt. Der Mann nimmt seinen ums Gesicht geschlungenen Schal ab und gibt sich zu erkennen. Es ist natürlich Benjen Stark, Brans Onkel, der nicht ganz gesund aussehend zum Vorschein kommt. Der Benjen, der seit der dritten Folge der ersten Staffel hinter dem Wall verschollen ist. Ich habe ihn niemals vergessen! Hinter jeder Kleinigkeit und Ungereimtheit hinter dem Wall habe ich Benjen Stark vermutet. Sein Überleben erklärt er wie folgt: ein Weißer Wanderer habe ihn mit seinem Schwert durchbohrt und zum sterben liegen gelassen. Doch die Kinder des Waldes haben ihn gefunden und davor bewahrt, zu einem wandelnden Toten zu werden. Trotzdem sieht er bis auf die blau leuchtenden Augen genau so aus wie eine dieser verwesenden Kreaturen. Das kann daran liegen, dass sein Körper nicht mehr lebt und verfällt, die klirrende Kälte im Norden dies aber mehr oder weniger verhindert. Oder es sind Erfrierungen, seine Hände sind jedenfalls komplett schwarz. Benjen ist also zum Boten und Helfer des Raben geworden, weiß über Bran bescheid und dass dieser das Erbe des dreiäugigen Raben übernehmen muss. Bran gibt zu bedenken, dass er es nicht kontrollieren kann, doch Benjen wiegelt ab: er muss es lernen, bevor der Nightking kommt. Denn er wird seinen Weg in das Reich der Menschen finden und er, Bran, müsse ihn dann erwarten. Das ist alles sehr geheimnisvoll und diverse Fragen bleiben offen, aber bei einer Sache bin ich mir sicher: Benjen Stark war derjenige, der die Tasche mit Drachenglas an der Faust der ersten Menschen deponiert hat, damit Jon Snow sie dort findet. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche!

Kommen wir zum Handlungsabschnitt von SAM TARLY, der zusammen mit Gilly und dem kleinen Sam-Baby nach der Odyssee rund um Westeros herum endlich an seinem Famliensitz Horn Hill ankommt. Er bleut Gilly ein, dass der kleine Sam als sein Kind gelten muss, damit er in Horn Hill aufwachsen darf – und sein Vater sollte besser nicht erfahren, dass Gilly ein Wildling ist. Sams Mutter und Schwester heißen die beiden herzlich willkommen, aber die Stimmung ist natürlich zutiefst bedrückt, als die ganze Familie abends am Esstisch sitzt. Zuerst wird der Schein noch mit belanglosem Smalltalk gewahrt, bei dem Sam seinem Bruder Dickon Tarly, dem rechtmäßigen Erben, von Jon und dem Jagen jenseits des Walls erzählt. Doch der wunderbar unsympathisch Randyll Tarly beginnt sogleich, Sam zu demütigen. Die Nachtwache haben keinen Mann aus Sam gemacht, er sei immer noch weichlich und fett. Gilly verteidigt Sam, er habe auf dem Weg hinunter nach Castle Black einen Thenn und einen White Walker geötet und sei ein mutigerer Kämpfer als alle anderen am Tisch. Dickon lacht bei der Erwähnung des White Walkers vergnügt auf; so etwas gäbe es gar nicht. Doch Randyll hat längst erkannt, dass Gilly sich verraten hat. „Down to Castle Black“ bedeutet, dass sie von nördlich des Walls kommt und ein Wildling ist. Er hatte sie zuerst für eine Hure aus Molestown gehalten, aber anscheinend habe er seinen Sohn überschätzt. Er hält es für Sams Rache an ihm, dass er mit einem Wilding einen Halbblut-Bastard zeugt, der nun unter seinem Dach aufwachsen muss. Voller Zorn akzeptiert Randyll, dass Gilly und Klein-Sam hierbleiben, aber für Sam ist es der letzte Tag, den er je in seinem Zuhause verbracht hat. Randyll ist die Art Person, die man guten Gewissens hassen kann und bei der man hofft, dass ihn seine gerechte Strafe ereilt. Insofern habe ich mich sehr gefreut, dass Sam spät Nachts einen Sinneswandel hat und zusammen mit Gilly und Klein-Sam verschwindet – aber nicht, ohne den Stolz das Hauses Tarly mitzunehmen: Heartsbane, das Schwert aus valyrischem Stahl, das seit 500 Jahren im Besitz der Tarlys ist. Diesen Schwertern wird im zukünftigen Kampf gegen die White Walker eine wichtige Rolle zukommen. Immerhin gibt es nur noch „eine Handvoll“ davon, aber sie wirken tödlich bei den White Walkern. Von daher dürfte es bei Sam gut aufgehoben sein. Allerdings glaube ich nicht, dass Randyll diesen Diebstahl ungestraft lassen wird. Es wird zu der finalen (oder für Sam zur ersten richtigen) Vater-Sohn-Konfrontation kommen, in der Randyll hoffentlich sein Leben lässt. Was für ein Unsympat.

Auch bei ARYA in Braavos kommt es endlich zum von mir in der letzten Besprechung vorhergesagten Sinneswandel. Eine Attentäterin des Manyfaced God zu sein passt eigentlich überhaupt nicht zu ihrem Gerechtigkeitsempfinden. Sie schaut sich das Schauspiel mit Lady Crane an, schleicht sich in den „Backstage-Bereich“ und vergiftet ihren Rum. Zufällig trifft sie Lady Crane beim rausgehen und ein kleines Gespräch entwickelt sich, in dem Arya sie als gute Schauspielerin lobt. Als Lady Crane kurz darauf den vergifteten Rum trinken will, springt Arya plötzlich dazwischen und schlägt ihr das Glas aus der Hand. Über sich selbst erschrocken warnt Arya Lady Crane vor der jungen Schauspielerin Bianca, die ihren Tod wünscht, und verschwindet dann. Sie weiß jedoch nicht, dass die andere Heimatlose, die sich in der Ausbildung des Manyfaced God befindet und Arya mit Stocktraining gequält hat, alles gesehen hat. Sie erstattet Jaqen H’gar Bericht und bitet um die Erlaubnis, Arya töten zu dürfen. Wir erinnern uns: Es wurde für einen Tod bezahlt, also wird es einen Tod geben. Da Arya erneut das Opfer verschont hat, für das jemand bezahlte, muss diesmal ihr eigenes Leben dran glauben. Am Steg gräbt Arya ihren treuen Degen Nadel aus dem Steinhaufen aus und gibt damit hoffentlich offiziell ihren Plan auf, Attentäterin des Manyfaced God zu werden, was ich großartig finde. Mit Nadel wartet sie in der Dunkelheit einer Kammer auf die bevorstehende Strafe.

Ich denke, es gibt zwei Wege, wie das jetzt weitergeht. Es kommt zum Zweikampf Waif (das andere Mädchen) gegen Arya, den Arya gewinnt. Arya hat also einen Tod geliefert und kann die Ausbildung vielleicht doch fortsetzen, da sie das wesentlich erfahrenere andere Mädchen töten konnte. ODER sie geht als Arya weiter ihrer Wege, wohin immer die sie auch führen – und muss sich immer vor Jaqens Vergeltung in Acht nehmen. Ich habe letzte Woche einen Kommentar gelesen, dass der ganze Handlungsabschnitt mit Braavos doch umsonst war, wenn Arya die Ausbildung abbricht. Dem widerspreche ich zutiefst. Das Leben ist keine Einbahnstraße, die immer geradeaus verläuft. Manchmal schlägt man Irrwege ein, bei denen man auf halber Strecke merkt, dass man hier völlig falsch ist. Arya hat es jetzt gemerkt und ist dabei, umzukehren. Ich bin wirklich gespannt, in welche Richtung ihre Handlung verlaufen wird.

Dann gab es eine kurze Szene, mit der ich überhaupt nicht gerechnet hatte, weil WALDER FREY seit Staffel 3 nicht mehr mit dabei war. Deshalb hatte ich letztes Mal auch Petyr Baelishs Aussage, der „Blackfish“ hätte Riverrun zurückerobert, als Lüge abgetan. Aber nein, hier ist Walder Frey und er ist sehr erbost darüber, dass seine Männer Riverrun verloren haben. Ich hätte nicht gedacht, dass wir auch in der Serie NOCH einen Handlungsstrang aufmachen. Aber so ist es, und Walder verlangt, dass wiederum  seine Männer nun Riverrun zurückerobern – die Chancen stehen nicht schlecht, immerhin hat er einen Trumpf in der Hand: Edmure Tully, Catelyn Starks Bruder und Neffe von Brynden „Blackfish“ Tully, der bei der Roten Hochzeit gefangen genommen wurde.

Ich hatte wie gesagt nicht damit gerechnet, die Flusslande noch einmal als Handlungsplatz wiederzusehen, aber nun scheint alles darauf hinauszulaufen. Jon, Sansa und ihre Bagage sind sicherlich auch auf dem Weg dorthin – oder zumindest Brienne. Das könnte interessant werden, wenn man das Ergebnis der Ereignisse in KING’S LANDING betrachtet…

Denn in der Hauptstadt des Königreichs kommt es zur Konfrontation zwischen Jame Lannister und dem High Sparrow. Der von Jame, Mace Tyrell und Kevan Lannister gefasste Plan wird in die Tat umgesetzt: Mace führt die Tyrell-Streikräfte nach einer pompösen Ansprache, die leicht zum fremdschämen ist, in die Stadt, um Margerys Walk of Shame zu verhindern und sie und ihren Bruder Loras zu befreien. Das Volk ist an der Septe versammelt, alles steht bereit und der Marsch kann beginnen, als die Truppen unter Führung von Jame und Mace aufmarschieren. Jame verlangt die Herausgabe von Margery und Loras unter der Androhung, ansonsten jeden einzelnen Sparrow niederzumetzeln. „Im Dienste der Götter zu sterben würde jeden einzelnen von uns mit Freude erfüllen“, entgegnet der High Sparrow und klingt dabei wie ein religiöser Terrorist unserer Zeit; alles sieht nach einer explosiven Entladung in Blut, Gedärme und Gewalt aus. Doch sagte ich zu Beginn nicht, heute stirbt niemand? Und so scheint der High Sparrow zurückzurudern: es werde keinen Marsch der Schande für Margery geben, denn sie habe ihre Sünden bereits wiedergutgemacht, indem sie einen anderen „ins Licht der Sieben“ geholt hat. Zu James Erstaunen tritt König Tommen aus den sich öffnenden Türen der Septe vor das Volk und ergreift Margerys Hand. Er verkündet die heilige Allianz zwischen dem Glauben und der Krone, die schon immer die zwei Grundpfeiler der Welt waren. Zusammen würden sie das Königreich zu alter Pracht führen. Das Volk jubelt. Olenna und Jame schauen düster drein und die alte Dame interpretiert das Geschehen ganz recht: „Er hat uns besiegt.“ Beim Aufmarsch der Ritter vor der Septe sah Margery übrigens etwas erschrocken aus. Ich nehme ihr die gottesgläubige Sünderin jedenfalls nicht ab. Ich denke, sie hat Tommen zum Glauben überredet, damit er die Allianz mit dem High Sparrow eingeht und sie ohne den Marsch aus dem Gefängnis kommt; es war die einzige Option, die sie selbst realisieren konnte. Dass ihre Familie und Jame einen eigenen Plan hatten, um sie und Loras zu retten, scheint sie nun zu überraschen.

Anschließend wird Jame im kleinen Kreis von seinem Amt als Lord Commander der Königswache enthoben, da er den Glauben angegriffen hat und damit auch die Krone. Er darf seinem König allerdings weiter dienen, indem er nach Riverrun reitet und bei der Eroberung der Festung hilft – wo er natürlich unweigerlich auf Brienne von Tarth treffen wird, die von Sansa dorthin geschickt wurde. Allerdings wird sie auf Seiten der Tullys kämpfen, womit die beiden nach ihrer gemeinsamen Odyssee durch Westeros wieder als Feinde aufeinandertreffen werden – wenn das nicht tragisch ist, was dann? Jame ist untröstlich über das alles und erwägt, mit Bronn und einem Haufen Söldner den High Sparrow zu töten, der seinen Sohn, Tommen, mit seinem religiösen Gewäsch gestohlen habe. Aber Cersei ermutigt ihn, die Streitkräfte der Lannister anzuführen und Riverrun zurück zu erobern. Sie werden ihre gnadenlose Rache später bekommen.

Kommen wir zum Schluss noch zu unserer Drachenmutter DAENERYS TARGARYEN, die mit ihren 100.000 Dothraki auf dem Weg nach Meereen ist. Unterwegs findet sie ihre Drachen Drogon wieder, der ihr diese ganze Reise überhaupt eingebrockt hat. Eindrucksvoll fliegt sie über ihre neuerworbene Armee hinweg und hält eine eindrucksvolle Ansprache, in der sie ihre Blutreiter auf den Krieg in Westeros einschwört. Das war aber auch schon alles. Sie braucht an die 1000 Schiffe, um all diese Dothraki (und die Unsullied? Denkt hier noch jemand an die Unsullied?) nach Westeros zu bringen. Da käme natürlich Euron Greyjoy ins Spiel, der ja seit der letzten Folge beabsichtigt, Dany zu helfen und so an die Macht zu kommen. Aber ob er so schnell genug Schiffe bauen kann? Vielleicht kommt es ja am Ende der Staffel zur großen Überfahrt.

Alles in allem eine Übergangsfolge mit einem kleinen Höhepunkt in King’s Landing, viele Puzzelteile werden bewegt und in Stellung gebracht für den Rest der Staffel. Ich freue mich schon auf die (einseitige) Romeo und Julia-Referenz mit Brienne und Jame in Riverrun. Ob es zum entscheidenden Duell kommt, an dessen Ende Brienne tragischerweise den Mann umbringt, der ihr Respekt gezollt und sie als Kämpferin für voll genommen hat? Ich sage es hier und jetzt schon voraus!

 

Top-3 Handlungsebenen:

1. King’s Landing – Konfrontation abgewendet, High Sparrow siegt!
2. Sam/Gilly – umfangreiche Szene, Hass auf Randyll, Yay für Sams kleine Revolte
3. Arya – das Gute siegt immer, Arya endlich wieder sie selbst…?